Die drei Vorträge dieses Abends befassten sich mit historischen Aspekten von Infektionskrankheiten.
Prof. Thomas Mettenleiter, der frühere Präsident des Friedrich Loeffler-Instituts, schilderte die bahnbrechenden Arbeiten von Friedrich Loeffler (1852-1915), die letztlich den Beginn der Faches Virologie darstellten. Seine detaillierten und aufwändigen Filtrationsexperimente zur Entfernung von Krankheitserregern zeigten, dass bakteriendichte Filter gewisse andere Krankheitserreger nicht zurückhalten, in diesem Fall den Erreger der Maul- und Klauenseuche. Diese Experimente belegten die Existenz einer andersartigen Kategorie von Erregern – den Viren. Ausgehend von dieser neuen Arbeitsrichtung im Greifswalder Institut entwickelte sich eine weltweit anerkannte Institution zur Erforschung von Tierseuchen und Zoonosen, das Friedrich Loeffler-Institut auf der Insel Riems, ganz in der Nähe von Greifswald. Zu den modernen Laboren gehört auch ein Hochsicherheitslabor der Stufe BSL 4. Dem FLI kommt in Zeiten von aviärer Influenza oder Mpox eine besondere Bedeutung zu, und sein Rat ist gefragt.
Der Leiter des Museums am RKI, Dr. Benjamin Kuntz, widmete sich zwei Pionieren der Bekämpfung von Bakterien: Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871-1935) und Julius Morgenroth (1871-1924), die beide aus jüdischen Familien entstammten. Rabinowitsch arbeitete 1894 bis 1903 bei Robert Koch am Königlich Preußischen Institut für Infektionskrankheiten (heute RKI), wie auch ihr späterer Mann Walter Kempner. Das Thema von Rabinowitsch war die Tuberkulose und die Übertragung durch Milch. Sie wechselte an das Pathologische Institut der Charité und erhielt 1913 als erste Frau in Berlin den Professorentitel. Von 1920 bis zu ihrer Entlassung durch die Nationalsozialisten 1934 leitete sie das Bakteriologische Institut des Krankenhaus Moabit.
Morgenroth zählt zu den bedeutendsten Schülern von Paul Ehrlich am Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt. Morgenroth und Rabinowitsch veröffentlichten zusammen grundlegende Arbeiten zur Immunität. 1905 wechselte Morgenroth an das Pathologische Institut der Charité und leitete das Bakteriologische Labor. Bahnbrechend war sein Nachweis, dass Bakterien einer gezielten Chemotherapie zugänglich waren. Lange bevor es Antibiotika gab, entwickelte er Medikamente zur Therapie von Lungenentzündungen und Wundinfektionen. Nach dem ersten Weltkrieg übernahm er die Leitung der eigens für ihn geschaffenen Abteilung Chemotherapie am RKI.
Rabinowitsch-Kempner und ihr Mann waren beide Mitglieder der Berliner Medizinischen Gesellschaft. Rabinowitsch-Kempner zählte 1913 zu den ersten Frauen in der Gesellschaft. Sie hielt selbst keinen Vortrag, aber beteiligte sich an Diskussionen. Ihr Mann war bis 1924 als Schriftführer Mitglied des Vorstandes.
Frau Annette Hinz-Wessel vom Institut für Geschichte der Medizin und Ethik an der Charité schilderte die Etablierung des AIDS-Zentrums am damaligen Bundesgesundheitsamt. Mit dem Aufkommen von AIDS/HIV und seiner Übertragung durch (damals) nicht-inaktivierte Blutprodukte sollte die neue Institution die Gesundheitsbehörden und Ministerien beraten, um diese Risiken zu verringern oder auszuschließen. Dies war insbesondere von Bedeutung, als sich die Lösungsvorschläge von verschiedenen Gesundheitseinrichtungen und Politikern in Deutschland z.T. grundsätzlich unterschieden. Sie reichten von Isolierung der Infizierten bis hin zur systematischen Aufklärung der Bevölkerung. Die eindeutige Linie und Standhaftigkeit der damaligen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth für eine konsequente Aufklärung zur Erkrankung und zu Präventionsmaßnahmen setzte sich schließlich durch.