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Geschichte der Berliner Medizinischen Gesellschaft

Die Geschichte beginnt mit der Gründung der Gesellschaft für wissenschaftliche Medizin am 5. Dezember 1844 durch 18 jüngere Berliner Ärzte. Sie tagten regelmäßig nach einem straffen Reglement, wobei gemäß Vereinsstatut medizinische Fragestellungen nur auf wissenschaftlicher Grundlage behandelt werden durften. Dies war eine bewusste Absage an die naturphilosophische und andere, nicht-wissenschaftliche Theorien, die die Medizin damals noch weitgehend beherrschten.

Der Gesellschaft gehörten bald viele der führenden Ärzte Berlins an, um 1857 hatte sie etwa 100 Mitglieder. Damals übernahm der eben aus Würzburg zurückgekehrte Rudolf Virchow (1821–1902) den Vorsitz.

Im März 1858 wurde eine andere medizinische Gesellschaft, der Verein Berliner Ärzte, gegründet. Diese Gesellschaft hatte auf Anhieb 115 Mitglieder und wählte den Augenarzt Albrecht v. Graefe (1828–1870) zum Vorsitzenden.

Da viele Ärzte in beiden Gesellschaften Mitglieder waren, schlossen sich beide Vereine am 31.10.1860 zur Berliner Medizinischen Gesellschaft zusammen. Die neue Gesellschaft hatte 204 Mitglieder, ihr erster Vorsitzender war Albrecht v. Graefe.

Berlin schickte sich in dieser Zeit an, Paris und Wien als Zentrum der Medizin abzulösen. Bis zur Jahrhundertwende entwickelte sich die Stadt zur Weltmetropole der Medizin. Die Berliner Medizinische Gesellschaft leistete hierzu einen wichtigen Beitrag, sie wurde im medizinischen Berlin zu einer zentralen Institution. Um 1900 hatte sie über 1200 Mitglieder, darunter waren die führenden Vertreter der Berliner Medizin, jedoch auch viele niedergelassene Ärzte.

Die Mitglieder kamen zu ca. 30 Sitzungen im Jahr, den „Verhandlungen“, zusammen, um die neuesten Entwicklungen in Klinik und Forschung zu diskutieren. Im Winterhalbjahr traf man sich häufig wöchentlich. Hier wurde aktuelle, noch nicht publizierte Ergebnisse vorgestellt. Die mitstenographierten Vorträge und Diskussionsbeiträge erschienen zeitnah in medizinischen Journalen und als eigene Schriftenreihe, den „Verhandlungen der Berliner Medizinischen Gesellschaft“. Sie finden sich heute in den großen Bibliotheken der Welt (siehe: Das Entstehen der modernen Medizin. Vorträge vor der Berliner Medizinischen Gesellschaft von 1860 bis 1935. Hrsg. G. Laschinski, I. Roots, ABW Wissenschaftsverlag, 2018).

Unter dem 20 Jahre währenden Vorsitz des gestrengen Virchow von 1882 bis 1902 erlangte die Gesellschaft durch die in ihr konzentrierte Expertise Weltgeltung. Nicht ohne Stolz konnte Virchow bei der 25-Jahrfeier der Gesellschaft 1885 verkünden: „… wir repräsentieren das, was anderswo eine Akademie repräsentiert…“ Dabei war es ihm vor dem Hintergrund der sich bereits abzeichnenden Spezialisierung wichtig, dass alle Fachrichtungen zu Wort kamen, denn die Gesellschaft sollte „eine Repräsentantin der ganzen, einigen Wissenschaft“ sein.

Der Erste Weltkrieg und die nachfolgenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüche gingen nicht spurlos an der Gesellschaft vorüber. Zwar wurde 1920 mit über 1700 Mitgliedern die bisher höchste Mitgliederzahl erreicht, doch beeinträchtigten finanzielle Schwierigkeiten zunehmend das Vereinsleben. Diese gefährdeten auch die Bibliothek der Gesellschaft, die mit weit über 100.000 Bänden eine der größten medizinischen Bibliotheken Berlins war. Sie wurde von hauptamtlichen Bibliothekaren verwaltet und stand allen Ärzten offen. Erst Ende der 1920er Jahre entspannte sich die wirtschaftliche Situation deutlich.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde die Gesellschaft – wie alle anderen auch − gleichgeschaltet. Dies bedeutete u.a. den Ausschluss jüdischer Mitglieder, die Entfernung jüdischer Vorstandsmitglieder und die Einsetzung des Vorstandes nach dem Führerprinzip. (siehe: E. Neumann-Redlin von Meding, H. Conrad: Ärzte unter dem Hakenkreuz, Jaron Verlag, 200X)

Die Tätigkeit der Berliner Medizinischen Gesellschaft kam 1945 zum Erliegen. Erst 1950 wurde sie wiederbelebt. Der erste Vorsitzende der Nachkriegsperiode war der Pharmakologe Wolfgang Heubner (1950–1954). Während der Zeit der deutschen Teilung war die Aktivität der Gesellschaft auf den Westteil Berlins beschränkt.

Nach der Wiedervereinigung gelang es in einem jahrelangen Prozess, das historische Langenbeck-Virchow-Haus wiederzuerlangen. Es liegt im Stadtteil Mitte in direkter Nähe zur Charité; es wurde von der Berliner Medizinischen Gesellschaft gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie erbaut und 1915 in Betrieb genommen. Heute ist es ein modernes Tagungszentrum, in dem auch die Veranstaltungen der Gesellschaft stattfinden.